Krone des Heiligen Römischen Reiches, KHM, Kaiserliche Schatzkammer Wien

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Kronen Krimi

Sie ist das Highlight der Kaiserlichen Schatzkammer Wien und Teil des ältesten, umfassendsten Kronschatzes des Mittelalters: die Reichskrone, die für die Krönungen der Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches vom Mittelalter bis 1792 verwendet wurde. Erstmals wird die achteckige Krone nun umfassend untersucht.

Zahlreiche Mythen ranken sich um dieses außergewöhnliche Goldstück. Niemand weiß, wann und wo sie tatsächlich hergestellt wurde. Lange dachte man, die Krone sei für Kaiser Karl den Großen und seine Krönung im Jahr 800 angefertigt worden. „Wir wissen aber schon länger, dass diese Annahme falsch ist“, erklärt der Kunsthistoriker Franz Kirchweger, der das Projekt für das Kunsthistorische Museum Wien (zu dem die Kaiserliche Schatzkammer gehört) leitet: „Zur Datierung gibt es aber nach wie vor kontrovers diskutierte Thesen: Diese reichen von der Zeit Kaiser Ottos des Großen, der 962 gekrönt wurde, bis in die Zeit König Konrads III., der von 1138 bis 1152 regierte.“ Mithilfe neuester High-Tech-Methoden wird nun versucht, dieses Rätsel der Geschichte zu lösen.

Modernste Forschungsinstrumente

Röntgenfluoreszenzanalyse und 3D-Digitalmikroskopie sind jene Verfahren, die vorrangig zum Einsatz kommen. Voraussetzung für alle Untersuchungen: Die Krone kann aufgrund ihrer Fragilität nicht zu den Geräten kommen, daher mussten die Geräte zur Krone nach Wien kommen. Mithilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse kann die chemische Zusammensetzung von Materialien bestimmt werden. „So erhalten wir wichtige Informationen etwa zum Email und zur Metalllegierung“, so Kirchweger.

Die 3D-Digitalmikroskopie erlaubt es, Perlen, Edelsteine und Zierelemente im Bild zu dokumentieren und ihre Abmessungen zu eruieren. Mit bis zu 2.500-facher Vergrößerung. „Bis Ende 2022 haben wir 60.000 Bilder damit aufgenommen“, erzählt Kirchweger. Im Mai 2022 wurden erstmals alle 172 Steine auf der Krone bestimmt: 71 Saphire, 50 Granate, 20 Smaragde, 13 Amethyste, vier Chalcedone (Halbedelsteine), drei Spinelle (Minerale) und elf verschieden gefärbte Gläser. Die Röntgenfluoreszenzanalyse soll nun dabei helfen, noch mehr über die Herkunft der Steine zu erfahren.

Eine besondere Herausforderung war es, die Innenplatten der Krone zerstörungsfrei zu untersuchen. Dafür hat man das Objektiv des 3D-Mikroskops auf einen beweglichen Arm montiert. Ein Tisch mit achteckiger Öffnung wurde gebaut, um die Linse von unten in das Innere der Krone einführen zu können. Das Ergebnis: hochauflösende Scans von allen Platten des Kronreifs, des Bügels, des Stirnkreuzes sowie der Emailtafeln.

„Das ist eine Sensation!“

Dabei kam es zu einer spektakulären Entdeckung: Auf einer der Innenplatten wurden zwei antike Amethyst-Intaglien entdeckt, geschnittene Edelsteine mit einer bildlichen Darstellung. Sie zeigen eine mythische Figur mit Theatermaske und eine Hafenszene. Kirchweger: „Das ist eine Sensation!“ Denn die Bildseiten sind nach innen gedreht und in der Außenansicht nicht wahrnehmbar. „An der Krone wird seit fast 250 Jahren geforscht. Dass wir noch etwas ganz Neues entdecken konnten, ist schon außergewöhnlich.“ Entscheidend war auch hierbei der Einsatz des 3D-Digitalmikroskops. Bei dem Intaglio mit der Theatermaske handelt es sich um das früheste und schönste Beispiel für eine solche Arbeit. Entstanden sein dürfte es vor fast 2.100 Jahren.

Die gewonnenen Daten alleine bringen den Forscher:innen aber wenig. Kirchweger: „Um Fakten interpretieren und vergleichen zu können, brauchen wir Vergleichsmaterial.“ Acht Stücke aus einem ähnlichen Zeitraum (10./11. Jahrhundert) wurden ausgewählt. Darunter Goldschmiede­arbeiten aus der Essener Domschatzkammer und ein goldener Buchdeckel, der im Pariser Louvre restauriert wurde. „Wichtig ist, dass diese kostbaren Stücke vor Ort mit gleichen Methoden und Geräten untersucht werden“, so Kirchweger.

Vom Polster gerutscht

Zusätzlich werden auch historische Bild- und Textquellen gesucht und gesichtet, die Aufschluss geben sollen. Um zum Beispiel festzustellen, ob und wo es im Laufe der Jahrhunderte Veränderungen gab. Kirchweger: „Unsere Kollegin Evelyn Klammer hat über 6.000 Datensätze durchgeschaut. 600 Bilder kamen in unsere Datenbank und wurden genauer untersucht.“

Dies betrifft auch Beschädigungen, wie den 1764 dokumentierten Verlust eines Edelsteines bei der Krönung Josephs II. zum römisch-deutschen König in Frankfurt am Main. „Am Weg zur Krönungskirche ist die Krone vom Polster gerutscht. Dabei ging ein Saphir aus der Nackenplatte verloren“, erzählt Kirchweger: „Der Stein wurde durch einen Hyazinth ersetzt. Man kann noch heute sehen, dass an dieser Stelle eine andere Einfassung ist als bei den anderen Steinen.“

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Video: Untersuchungen zu Materialität, Technologie und Erhaltungszustand der Wiener Reichskrone

Bewegte Geschichte

Die 3,5 Kilo (!) schwere Krone hat viele Abenteuer „erlebt“. Wahrscheinlich wurde sie in einer niederrheinischen Werkstatt hergestellt. 1246 wird sie erstmals erwähnt. Ab 1424 wurde der Reichs-schatz in Nürnberg verwahrt. 1792 fand die letzte Krönung eines römisch-deutschen Kaisers statt. Dann fegte Napoleon über Europa. Um den wertvollen Kronschatz vor ihm zu schützen, wurde er in Sicherheit gebracht und landete in Wien. Ab 1827 war er in der Kaiserlichen Schatzkammer ausgestellt. Hitler ließ ihn 1938 wieder nach Nürnberg bringen. In einem zum Bunker umfunktionierten Bierkeller und später eingemauert in einer Nische überstand die Krone den Zweiten Weltkrieg. 1946 kam sie zurück nach Wien, wo sie auch bleiben wird.

Und bis Ende 2024 wird noch weiter geforscht. Acht Personen aus den Bereichen Kunstgeschichte, Geschichte, Restaurierungs- und Naturwissenschaft sind damit beschäftigt, die letzten Geheimnisse zu lüften. Wird am Ende tatsächlich feststehen, wann die Krone gefertigt wurde und sie zum ersten Mal zum Einsatz kam? – Kirchweger antwortet diplomatisch: „Meiner Einschätzung nach werden wir auch weiter mit Vermutungen und Thesen arbeiten müssen. Wir hoffen aber natürlich schon, den Zeitrahmen enger eingrenzen zu können.“ Es bleibt also spannend.

Text: Robert Seydel

Kaiserliche Schatzkammer Wien

Hofburg, Schweizerhof
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    • Lift vorhanden
      • Tür 80 cm breit
    • Weitere Informationen
      • Behinderten-WC mit barrierefreiem Zugang vorhanden.
    • Spezielle Angebote für Menschen mit Behinderung

      Rollstuhlverleih möglich (am Vortag reservieren). Auf Anfrage Führungen in Gebärdensprache und Führungen in leichter Sprache.

    • Anmerkungen

      Ausstellungsräume: 20 Stufen oder über Lift erreichbar

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