Amoako Boafo, Portraitphoto

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Wiener Moderne Revisited

Die Kunst der Wiener Moderne ist so aktuell und international wie nie zuvor. Das zeigt der aus Ghana stammende Maler Amoako Boafo. Der 37-Jährige erobert den US-Kunstmarkt im Sturm. Seine Werke hängen im New Yorker Guggenheim Museum ebenso wie im Museum der bedeutenden US-Kunstsammler:innen Don und Mera Rubell. Die Preise für seine expressiven Gemälde sind 2020 durch die Decke gegangen.

Amoako Boafo und Alexandre Diop sind Teil der Ausstellung „The Beauty of Diversity“, die bis 18. August 2024 in der Albertina modern läuft.

Ein Boafo kostet mittlerweile bis zu einer Million Dollar. Die internationale Kunstwelt ist begeistert. Was Boafos Malerei so besonders macht? Im Mittelpunkt seiner Werke stehen People of Colour. Er porträtiert Menschen der Diaspora, spielt mit deren Selbstwahrnehmung und deren Schönheit, um die Betrachter:innen zu einer Reflexion über schwarze Subjektivität einzuladen. Boafo geht es darum, die Vielschichtigkeit der porträtierten Personen zu zeigen.

Die Bilder von Amoako Boafo sind von 25. Oktober 2024 bis 12. Jänner 2025 im Belvedere zu sehen.

Es ist Kunst, die auf intellektueller Ebene die Anliegen der Black-Lives-Matter- Bewegung perfekt widerspiegelt. „Die Hauptidee meines Schaffens ist die Repräsentation, das Dokumentieren sowie das Feiern und Aufzeigen neuer Wege, sich dem Schwarzsein zu nähern“, lässt der öffentlichkeitsscheue Künstler in einem Pressestatement wissen. Begonnen hat die unglaubliche Geschichte in Wien.

Wien inspiriert

Boafo kam 2014 nach Wien, um an der Akademie der bildenden Künste zu studieren. Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen für den Sohn eines Fischers und einer Köchin. Denn in Wien lernte Boafo die Kunst der Wiener Moderne, insbesondere die radikalen Werke von Egon Schiele, kennen. Schieles Einfluss auf Boafos Werke ist selbst für Laien kaum zu übersehen. Die figurative Malerei des Ghanaers steht in Sachen Ausdruckskraft der Kunst, die im Wien um 1900 entstand, in nichts nach. In beiden Fällen geht es darum, alte Muster aufzubrechen und die Welt neu zu denken. Damit hat Boafo einen Nerv getroffen.

Fulminanter Aufstieg

Der bekannte US-Maler Kehinde Wiley, der Schöpfer des offiziellen Porträts von Barack Obama, entdeckte Boafo auf Instagram und wurde zu seinem ersten wichtigen Förderer. Auch der international bestens vernetzte Wiener Künstlermanager Amir Shariat beflügelte gemeinsam mit der in Los Angeles ansässigen Galerie Roberts Projects Boafos Karriere, indem er den Künstler vor zwei Jahren an die wichtigen US-Kunstsammler: innen Don und Mera Rubell vermittelte. Boafo war der erste Künstler, der im neuen Kunstmuseum der Rubells in Miami eine Artist Residency erhielt. Die Eigendynamik nahm ihren Lauf. Mittlerweile tingelt Boafo zwischen Wien, Los Angeles und der ghanaischen Hauptstadt Accra hin und her und legt eine der unglaublichsten Kunstkarrieren der vergangenen Jahre hin. In der Galerie Roberts Projects in Los Angeles hat er im September 2021 seine zweite große Einzelausstellung eröffnet. Für das Modelabel Dior arbeitete Boafo an der Herrenmodenkollektion 2021 mit. Das Spannende: Boafo ist kein Einzelfall, was Kunst mit afrikanischem Hintergrund aus Wien betrifft, die maßgeblich von der Wiener Moderne beeinflusst ist.

Fußball, Tanz, Kunst

Auch der erst 25-jährige Alexandre Diop ist drauf und dran, von Wien aus eine große Karriere zu machen. Im Herbst 2021 war Diop auf der Art Basel vertreten. Die für ihren guten Riecher bekannten Rubells besitzen aufgrund der Vermittlung durch Amir Shariat bereits mehrere seiner Bilder, und die nächsten zwanzig Werke, die Diop schaffen wird, sind bereits verkauft. Es bahnt sich ein ähnlicher Hype wie um Boafo an. Beide Künstler werden von Robert Projects, Los Angeles, vertreten. Doch vollkommen abseits seiner Kunst hat es allein schon Diops Biografie in sich: Eigentlich wollte der gebürtige Franzose mit senegalesischen Wurzeln Profifußballer werden. Er kickte als Teenager im Nachwuchskader von Paris Saint Germain. Daraus wurde nichts. Stattdessen ging er nach Berlin, wo er Tanz und Choreographie studierte. Doch vor gut zwei Jahren zog es ihn nach Wien, um an der Akademie bei Daniel Richter Malerei zu belegen. „Wien ist die perfekte Stadt für mich. Hier kann ich konzentriert arbeiten. Wien ist unglaublich inspirierend“, erzählt Diop im Rahmen eines Besuchs in seinem Hinterhof-Atelier im dritten Bezirk. Ein Ort, an dem viele Fäden zusammenlaufen: Im selben Gebäude hat Amoako Boafo ein Atelier. Die beiden sind befreundet. Aber auch die österreichischen Künstler:innen Martha Jungwirth und Erwin Bohatsch haben hier ihre Studios. Ein kreativer Hotspot von Weltrang, von dem selbst in Wien kaum jemand weiß. Diop: „Hier fühle ich mich am wohlsten. In Berlin wäre es für mich unmöglich gewesen, an ein solches Atelier ranzukommen. Dass es immer mehr Künstler aus aller Welt nach Wien zieht, ist kein Wunder.“

Klimts Bling-Bling

Auch Diop setzt sich in seiner Kunst intensiv mit schwarzer Identität und schwarzem Selbstbewusstsein auseinander. Doch Diops Werk gibt sich ungleich düsterer und mysteriöser. Klimts Einfluss ist nicht zu übersehen: „Schiele ist toll, Klimt finde ich noch großartiger.“ Auch wenn die Herangehensweise unterschiedlicher kaum sein könnte. Diops Werke entstehen auf Holz, und er bevorzugt Materialien, die er auf Schrottplätzen und Müllplätzen findet. Vor allem Metall hat es ihm angetan. „Einer meiner Lieblingsorte ist ein Schrottplatz in der Prager Straße. Die Gegenstände von dort sind für mich die wesentlich effizienteren künstlerischen Mittel als Farbe.“ Der metallene Schimmer in seinem Werk ist als Referenz an Klimts üppigen Einsatz von Gold zu verstehen: „Klimts Bling-Bling fasziniert mich deshalb, weil er damit etwas sehr Sakrales transportiert. So ergibt Gold Sinn.“ Und Diops Kunst besitzt sehr viel intellektuellen Tiefgang: „Zu meinen größten Inspirationsquellen gehören die Bücher des senegalesischen Historikers und Hauptvertreters des Afrozentrismus Cheikh Anta Diop, der ab den 1950ern gegen die Marginalisierung Afrikas mit den Mitteln der Wissenschaft ankämpfte. Ihm ging es um ein gesteigertes afrikanisches Selbstbewusstsein.“ Die beiden sind weder verwandt noch verschwägert, aber Brüder im Geiste. Und eigentlich unglaublich, dass der Franzose erst seit gut drei Jahren in der bildendenden Kunst verhaftet ist. Seit wann sich der Ex- Fußballer überhaupt als Künstler fühlt? Diop grinst: „Immer schon. Denn auch Fußball ist Kunst. Weil es in beiden Fällen darum geht mich auszudrücken. Beides hat etwas sehr Spielerisches.“


Text: Johannes Luxner

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